An nahezu jedem Computer werden wir daran erinnert, dass es eine Zeit gab, in der Tageszeitungen die technologische Entwicklung getrieben haben. Die Schrift „Times New Roman“ hat ihren Namen von ihrem Auftraggeber und ihrer Verwendung: Die London Times lies eine Schrift entwerfen, die auf den damals neu aufkommenden Rotationspressen auch bei höheren Geschwindigkeiten möglichst gut lesbar wiedergegeben werden sollte. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die ersten weiter verbreiteten Laserdrucker – aus vollständig unterschiedlichen Gründen zwar – zu ähnlichen Faktoren für die Schriftauswahl führten. Nur konnte man sich dann auf die bereits durchlaufene Entwicklung berufen und auf eben jene, 1931 auf den Markt gebrachte Schrift zurückgreifen. Und zu der Zeit, als die Laserdrucker aufkamen, fanden die Verlage die Computer auch noch ein tolles Werkzeug. So ermöglichte das Aufkommen der Photosatz-Systeme es den Verlagen, auf die Dienste von Setzern und Druckern zu verzichten und die Papierausgaben viel kostengünstiger zu produzieren; damals wurden viele Stellen abgebaut und die Struktur der Verlage änderte sich drastisch. Übrigens wurde auch damals schon über den Untergang der Meinungsvielfalt und Medienlandschaft sinniert.
Und heute? Heute ist zwar nicht der Computer für die Verlage das Böse, aber das diese Computer auch als Werkzeug genutzt werden können, um sich auf alternativem Weg Informationen zu beschaffen, das scheint den Entscheidern der Dorn im Auge.
Man muss es sich auch noch mal konkret vor Augen führen: die gleichen Leute, die früher die Zeitung gekauft und gelesen haben, die werden heute von den Verlegern beschimpft, weil sie ja angeblich so sehr einer schrecklichen Gratis-Kultur anheim fallen und nun nicht mehr wissen, was gut und richtig ist.
Die Klage, dass sich unsere Welt beschleunigt hat, ist ja beileibe keine neue mehr. Aber anstatt zu fragen, wie man in einer Zeit, in der „die Nachrichtenlage“ sich manchmal im Halbstundentakt ändert, die Redaktionen aktuelle Nachrichten über diverse Kanäle zu nahezu beliebigen Zeiten auf die Smartphones ihrer Rezipienten schicken, relevant zu bleiben, da wird lieber über den Untergang des Abendlandes philosophiert; man galt einige Zeit schon als mutig, wenn man sich – in Abhängigkeit eines Weltkonzerns, den die deutsche Medienlandschaft genau kein Stück weit interessiert! – mit einer App auf die Tablets mit dem Apfel vorwagte.
Und dann, das Ausbleiben der Werbekunden. Wen überrascht es denn, dass Werbekunden auf ein Medium ausweichen, über das sie ihre relevante Zielgruppe erreichen können, ihre Formate zielgenauer platzieren und auch in anderen Faktoren steuern können und das ihnen eine deutlich bessere Werbewirkungsanalyse erlaubt? Welchen Mehrwert erbringen denn Zeitungen gegenüber dem Online-Markt für ihre Werbekunden, und wie kommunizieren sie den?
Ach, es gibt noch so viele Faktoren, die ich benennen könnte. Die mangelnde Souveränität des Produkts: wer denn sonst versucht, mehr Kunden für die eigene Qualität zu gewinnen, wenn es um irgendwelche Zugaben wie Wein-Sortiments, Espressomaschinen oder Umhängetaschen geht? Die mangelnde Qualität: wie oft hören wir von handwerklichen Schnitzern von Journalisten; wie sehr sind die Berichte nur oberflächlich und werden den tatsächlichen Fragen nicht gerecht? Diese seltsame Nische in der man es sich bequem gemacht hat, viel zu nah an der Politik: Wo ist denn die tatsächlich kritische Auseinandersetzung, das Erkennen und Aufdecken von Skandalen, die inhaltliche Schärfe?
Ich denke, es wird Zeit für neue Aufbrüche. Vielleicht könnte die Antwort auf die Frage, was denn die Aufgabe von Journalismus ist, präzise und genau ausformuliert, helfen, neue Produkte zu ersinnen oder Fantasien zu entwickeln, wohin die Reise in den nächsten fünf Jahren gehen soll. Und anstatt sich einen großen Gewinn davon zu versprechen, sich mit Apps auf Apple-Produkte zu wagen, vielleicht sollten sich zwei, drei Menschen zusammenfinden und sich fragen: Wie hätte eine Zeitung ausgesehen, wenn Steve Jobs sie sich ausgedacht hätte? Was wären die Faktoren, die eine Zeitung als Produkt aus dem Hause Apple ausmachten?
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