Bin ich Deutschland?

Im Span­nungs­feld der Über­le­gun­gen zur Glo­ba­li­sie­rung und der gera­de begin­nen­den nächs­ten Patrio­tis­mus­de­bat­te (mit der Du-bist-Deutsch­land-Kam­pa­gne von Ber­tels­mann, dem Deutsch­land­tag der jun­gen Uni­on in Augs­burg und nicht zuletzt einer Gesprächs­run­de bei Maisch­ber­ger, die letz­tens auf 3sat wie­der­holt wur­de) stellt sich mir per­sön­lich die Fra­ge, wer es aller ist, das die­ses Land aus­macht – und wie mein per­sön­li­ches Ver­hält­nis zu die­sem Land ist, das ich wohl auch bin, wenn ich die Kam­pa­gne rich­tig ver­ste­he. Ich lebe jetzt seit fünf­ein­halb Jah­ren hier, arbei­te hier, zah­le hier Steu­ern, lese hier Zei­tung und habe mei­ne unmit­tel­ba­re Fami­lie hier. In gewis­ser Wei­se bin ich wirk­lich auch Deutsch­land – den­noch spießt­sich bei die­sem Gedan­ken was in mir. Viel­leicht will ich gar nicht Deutsch­land sein, son­dern ein­fach nur ich – das war bis­her auch schon genug Arbeit. Aber viel­leicht macht eben die­ses Stre­ben um Authen­ti­zi­tät mich zu einem Teil Deutsch­lands; es geht eben nicht um Indi­vi­dua­li­tät, und schon gar nicht um jeden Preis.

Nein, es hat auch damit zu tun, dass wenn es um Natio­nen geht, mein Herz vor allem dann schnel­ler schlägt, wenn es um Öster­reich geht. Ich emp­fin­de mich immer noch­zu­erst als Wie­ner, auch wenn ich die Stadt bes­ten­falls ein paar Tage im Jahr erle­be. Ich sehe es lie­ber, wenn Her­mann May­er gewinnt und nicht Bode Mil­ler. Ich habe etwas Mit­leid, wenn die öster­rei­chi­sche Natio­nal­mann­schaft die Qua­li­fi­ka­ti­on zur WM 2006 nicht schafft. Ich schä­me mich etwas, wenn es um die FPÖ geht (und nach der Tren­nung sogar noch was mehr) und ich bin etwas auf­ge­regt, wenn der Stadt­rat gewählt wird.

Nun ist das Ver­hält­nis der Öster­rei­cher zu Deutsch­land und den Deut­schen bei­lei­be kein ein­fa­ches. (Das Umge­kehr­te schon, weil Öster­reich für den durch­schnitt­li­chen Deut­schen außer viel­leicht als Urlaubs­land kei­ner­lei Rele­vanz hat – wenn man von einem gewis­sen Unter­hal­tungs­wert als Ziel­schei­be zahl­lo­ser schlech­ter Wit­ze absieht.) Selbst manch Poli­ti­ker ist so wenig sou­ve­rän, dass er von Öster­reich als das bes­se­re Deutsch­land spricht. In gewis­ser Wei­se ist es brü­der­lich: Öster­reich ist der klei­ne Bru­der, der sich an sei­nem grö­ße­ren Geschwis­ter­chen abar­bei­tet. Der bes­ser sein möch­te, der dem ande­ren zei­gen möch­te, wos lang­geht. Dadurch aber ver­stellt es den Blick auf die Sachen, die tat­säch­lich bes­ser lau­fen oder wo Öster­reich in der Tat sei­ne Stär­ken hat. Soll es geben.

Und auch wenn ich schon län­ger hier arbei­te und lebe, ich habe es doch in man­cher Wei­se noch nicht geschafft, mich von mei­nen Bil­dern zu tren­nen. Mei­ne Sicht auf Deutsch­land ist zwar sicher ver­än­dert und ver­brei­tert – und prag­ma­tisch gese­hen in den meis­ten Din­gen nicht so unter­schied­lich vom Leben in Wien – aber eben das Gefühl, das ist noch nicht da. Wenn es um Aus­län­der­feind­lich­keit geht, oder so Fra­gen wie­die dop­pel­te Staats­bür­ger­schaft füh­le ich mich zunächst als Aus­län­der. Es ist mir ratio­nal klar, dass Deutsch­land divers ist, und ich mei­nen Platz eben auch hier habe. Ich bin nicht mal einer von denen, die die Tole­ranz for­dern oder die die Inte­gra­ti­ons­fä­hig­keit her­aus­for­dern. Man sieht mir mei­ne Staats­bür­ger­schaft nicht an. Aber vom Gefühl, da ist es anders. Da bin ich eben nicht Deutsch­land, son­dern bes­ten­falls so was wie ein Beob­ach­ter. Ein noch nicht abge­sto­ße­ner Fremd­kör­per. Es gibt kei­ne Anläs­se, wor­an sich das fest­macht. Ich wer­de nicht ange­fein­det, mei­ne Natio­na­li­tät ist kein The­ma. Ich habe auch kei­ne Ahnung, wo das her­kommt und war­um ich so emp­fin­de; ich kann es aber auch nicht auf Wunsch abschal­ten. Es ist so. 

Und wahr­schein­lich bin ich auch mit all die­sen Fra­gen ein Teil von Deutsch­land. Was auch immer das genau bedeutet.


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