Eine der Sendungen, die mir im Deutschlandradio den meisten Spass bescheren, ist die Presseschau. Nicht auf ein spezielles Produkt festgelegt zu sein, sondern mal von hier und mal von da einen guten Gedanken präsentiert zu bekommen, das ist für mich eine angenehme und kurzweilige Art des Umgangs mit journalistischer Berichterstattung.
Bei meinem Ritual, auch selbst „Zeitung zu lesen“ ertappe ich mich, wie ähnlich zur Presseschau auch mein eigenes Herangehen an schriftlichen Journalismus geworden ist. übrigens, damit wir uns nicht falsch verstehen: dass ich eine Zeitung aus Papier kaufe ist ein Ereignis mit Seltenheitswert. Schriftlicher Journalismus findet bei mir tatsächlich rein elektronisch statt. Und bei allem Verständnis für Argumente um den Umweltschutz, bei mir hat es rein praktische Gründe.
Zeitunglesen, das bedeutet bei mir: Tagsüber den Twitter-Client öffentlichen, oder zumindest immer mal wieder in meine Timeline zu sehen – Dort folge ich durchaus einigen Verlagsangeboten. Wenn ich von einem Artikel lese, der mich interessieren könnte, wandert der Link darauf in meinen Instapaper-Account. Und abends, da nutze ich entweder iPad oder iPhone um zumindest stückchenweise zu lesen, was ich tagsüber so abgelegt habe. Manchmal verfasse ich Kommentare, manchmal leite ich Links weiter: ich nehme mit diesem Artikeln am Social Web teil. Durch die Online-Angebote lese ich Artikel in vielen Zeitungen und Zeitschriften, die ich sonst nie in der Hand hätte: taz, FAZ, Süddeutsche, Spiegel Online, Zeit, Cicero, New York Times, Financial Times Deutschland: sie alle gehören zu den Quellen, aus denen sich mein Instapaper speist. (übrigens ist es oftmals so, dass sich bei den internationalen Produkten die Artikel mit weniger Klicks in lesbarer Art und Weise speichern lassen, weil man nicht erst umständlich auf eine Druckversion zugreifen muss, von der aus man aber trotzdem nicht ausdrucken möchte.) Ich finde, es bereichert mein Leben und verschafft mir ein differenzierteres Bild von der Welt. Natürlich speisen auch andere Quellen mein Konto: einzelne Blog Postings, die Huffington Post, Heise Online aber auch einzelne Threads auf Google Plus landen auch alle in meiner Sammlung für den Abend.
Ich kann mir, ehrlich gesagt, auch gar nicht mehr so richtig vorstellen, Zeitung überwiegend auf Papier zu lesen: Zu unhandlich ist das Format im Vergleich zu den elektronischen Lesegeräten, zu passiv das Medium: ich kann nicht schnell mal nach Dingen googlen, ich kann mir nicht relevante Ausschnitte irgendwo hinkopieren, ich kann keine Verweise weitegeben: Papier ist doof. Ich muss aber auch zugeben: ich nutze diese Angebote nur, wo sie leicht zugänglich und gratis sind. Die ipad-Apps von Zeit und FAZ mögen vielleicht gut sein, aber ich will keine Abos für die Zeitungen abschliessen. Ich will mich nicht mal dafür registrieren müssen. Wenn die Links nicht an mir vorbeischwimmen und ich den Text nicht von dort aus mit dem Werkzeug meiner Wahl (und das ist ein wichtiger Punkt!) lesen kann, dann hat der Verlag mich als Leser verloren. Und darum geht es doch: die Aufmerksamkeit des Lesers. Seit Instapaper und iphone lese ich mehr Zeitung als je zuvor: sowohl, wieviel Zeit ich für die Zeitungen aufwende, als auch wieviele verschiedene Zeitungen ich lese. Das sollten doch für die Verlage eigentlich gute Nachrichten sein, alleine schon wegen der Zielgruppe. Jetzt müssen sie nur noch einen Weg finden, ein tragfähiges und marktwirtschaftliches Konzept zu erarbeiten, wie sie damit Geld verdienen können.
Wie ich Zeitung lese.
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Kommentare
15 Antworten zu „Wie ich Zeitung lese.“
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Hallo, guten Morgen, darf ich aus diesem Blogbeitrag eine längere Passage, evtl. auch den gesamten Beitrag, zitieren?
Schöne Grüße, Ka-Jo (Weilburger Nachrichten)
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Ah, noch jemand, der die Presseschau des dlf mag!
Es ist ja nicht nur so, dass man unmoeglich alles abonnieren koennte, um dann selber durchzublaettern; es ist auch so, dass dort (subjektive) Exoten wie z.B. der Trierer Volksfreund oder die Lueneburger Landeszeitung auftauchen, Regionalblaetter, die man sonst gar nicht auf dem Schirm hat. -
Damit gehe ich völlig d’accord.
Es entspricht auch der Veränderung meines Leseverhaltens. Ich glaube sogar, dass auf diese Weise mehr Menschen Artikel lesen. Insbesondere Jugendliche, welche ansonsten kaum zu einer gedruckten Zeitung greifen.Ein Gedanke zum Geschäftsmodell der Herren Verleger: Pay by view über die Telefonrechnung nach eigener Bestätigung) für (vertiefende) Einzelartikel. Zb 9 oder 29 oder x Cent könnten sich über die Masse durchaus rechnen.
Wofür ich dann im übrigen nicht zahlen würde, wären allerdings nur kopierte dpa/etc Artikel. 😉
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Scheint (hauptsächlich) eine Generationenfrage zu sein, wie man Zeitungen liest. Wie alt sind Sie?
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Sehe ich ähnlich. Der Konsum von digitalen Nachrichten ist praktischer, vielseitiger und auch einfach bequemer. Jeder, der einmal versucht hat ‚Die Zeit‘ in einem engen Zugabteil zu lesen, wird dem beipflichten.
Was ich nicht ganz nachvollziehen kann, ist dein Unwille dich für die Angebote zu registrieren oder zu bezahlen. Gerade Apps sind sehr entwicklungsintensiv und kosten Geld. Gleichzeitig möchte keiner ein von Werbung geprägtes Lesevergnügen auf dem iPad haben.
Die Produktion journalistischer Inhalte kostet Geld und bringen dem Konsumenten einen Mehrwert. Wie in jeder anderen Branche muss er also auch dafür einen angemessenen Preis zahlen.
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Würdest du denn eine Art Instapaper mit Werbung (von der die jeweiligen Zeitschriften profitierten) akzeptieren?
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Ich verstehe nicht ganz. Die App der FAZ auf meinem iPad hat weder eine Registrierung verlangt noch musste ich ein Abo abschliessen. Ich kaufe einfach nur die Ausgaben, die ich lesen will. Wenn ich mal keine Zeit habe (passiert oft genug) kaufe ich eben keine Ausgabe. Das ganze sogar günstiger als die Printausgabe.
Meiner Meinung nach ist die FAZ die bisher beste Zeitungs-APP im ganzen Store.
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Ja, das ist definitiv ein guter Punkt: ich habe auch schon Artikel aus regionalen Blättern in meinem Stream gehabt, die ich sonst nie gelesen hätte. Und zwar sowohl in Deutschland als auch international.
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Ich bin Baujahr 1973.
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So sehr ich den Run der Verlage auf Apps nachvollziehen kann – und so gerne ich auch glaube, dass die sogar grosse Budgets in die Entwicklung ihrer Apps und der flankierenden Maßnahmen versenken: für mich ist das nicht relevant, und in meinen Augen geht das auch gegen genau das, was für mich das Lesen online ausmacht. Ich glaube, da schreibe ich gleich noch etwas ausführlicher zu.
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Interessante Fragestellung. Das kommt bei mir persönlich sehr stark darauf an, wie gut die App an sich ist (Instapaper ist in meinen Augen schon sehr, sehr gut) und wie wenig oder stark sich die Werbung aufdrängt. Interstitials sind mir ein Gräuel; wie Apple das mit den iAds gelöst hat finde ich recht erträglich. Werbung alleine muss da aber gar nicht der einzige Umsatzbringer sein – auch Partnerprogramme für z.B. Amazon, mit entsprechenden Empfehlungen oder vertiefender Literatur mag auch gar kein schlechter Plan sein 🙂
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Interessanter Einblick. Für mich ist die gedruckte Zeitung nach wie vor Mittel der Wahl. (Selbst die „Zeit“ kann man beherrschen, aber es stimmt, dass das ein bisschen mühsam ist.) Ich habe es am liebsten, mir tageweise wechselnd eine andere, z.T. auch exotische Zeitung in ihrer Gesamtheit anzueignen. Ausschnitte heb ich mir auf, Verweise kann ich trotzdem weitergeben. Vielleicht ist das digitale Querlesen auch mit dem Musikkonsum vergleichbar? Der eine hört Singles, der andere Alben 🙂 ach ja, Baujahr 1981.
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Hallo!
„Ich muss aber auch zugeÂben: ich nutze diese AngeÂbote nur, wo sie leicht zugängÂlich und graÂtis sind.“
Dafür gibt es ein Wort: Geiz. Dass gute journalistische Angebote finanziert werden müssen, geht in der Meinungsmache unter.Ein tragfähiges Gegenangebot Ihrerseits gibt es ja nicht – stattdessen nur sinnfreie Forderungen à la „Jetzt müsÂsen sie nur noch einen Weg finÂden, ein tragÂfäÂhiÂges und marktÂwirtÂschaftÂliÂches KonÂzept zu erarÂbeiÂten, wie sie damit Geld verÂdieÂnen können.“
Wenn Leser, die das Zeitungsangebot gut finden, dafür gar nicht zahlen wollen, ist es nicht verwunderlich, dass Qualität auf der Strecke bleibt.
(Ich selbst bin übrigens nicht älter als der Autor.)
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Hi,
Ich kann Dir nur zustimmen, sogar beim Baujahr 🙂
Ich habe nur noch eine Form von Abos – RSS-Feeds. Padapps hatte ich ausprobiert, das Killerkriterium ist für mich allerdings die Nutzung von Readitlater oder Instapaper. Zeitungsapps scheitern genau daran, ich möchte oder kann nicht jede Artikel sofort lesen.
Zeitunglesen heisst für mich heute: Reeder mit meinen Feeds aufklappen, manches lese ich sofort, das meiste allerdings wandert in Readitlater und wird abends in Ruhe gelesen.
Dazu interessantes aus Twitter, Zite und Flipboard.Guter Content ist wertvoll, die Zeitung als Contentcompiler ist für mich auf dem Weg ins Geschichtsbuch.
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Zur Debatte: Das Sterben der Tageszeitung. http://profilitas.wordpress.com/2012/11/20/wie-konnen-sich-tageszeitungen-im-netz-profilieren-5-thesen/
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