Liebe Politiker,
spätestens durch die Affäre rund um das Vorgehen von News of the World muss es Euch doch offensichtlich geworden sein, dass der bisherige Umgang mit den Medien zu einem Risiko werden kann. Mit dem von der Politik gesuchten Nahverhältnis zur Presse ergeben sich zweierlei unterschiedliche Abhängigkeiten: Einerseits von Journalisten; also jenen Menschen, die tatsächlich berichten und deren Aufgabe es ist, die Empfänger der Nachricht auch tatsächlich zu erreichen. Andererseits ergibt sich aber – und das wird gerade in England mehr als nur offensichtlich – eine Abhängigkeit zu Verlegern, die in ihrer Natur anders ist; offensichtlich gelten da noch mal andere Spielregeln. Natürlich ist mir schon klar, dass die Machenschaften der News Corp noch mal eine andere Dimension haben als das, was hierzulande so passiert. Das aber die Verleger hier auch Macht nutzen und auf die Politik einwirken, kann niemand bestreiten: Ausgestaltung Rundfunk-Staatsvertrag (Stichwort Presseähnliche Angebote), „Tagesschau-App“, Leistungsschutzrecht … Alleine in den letzten 24 Monaten gibt es viele Beispiele, wo die Zeitungsverlage nicht über das, was man gemeinhin als marktwirtschaftliches Verhalten versteht, ihr Unternehmensziel zu erreichen und zu sichern suchen.
Es gibt aber einen Ausweg: Politiker können in meinen Augen bald gut ohne Verlage existieren. Und was kann helfen? Das Internet! Keine Zeitung hat mehr Leser als Menschen online sind: sowohl im Grossen (Bund und Länder) als auch im Kleinen (Kommunale Ebene). Das Medium hat also eine Reichweite, die durchaus interessant ist. Nun kann man sagen, nur dass so viele Menschen im Internet sind, heisst ja noch lange nicht, dass sie auch lesen, was man als Politiker so im Internet zu sagen hat. Das stimmt natürlich, aber das gilt auch für die Zeitung: Bloss, dass ein Mensch eine Zeitung kauft oder im Abo hat, heisst noch lange nicht, dass er jene Artikel liest, mit denen der spezielle Politiker jemanden erreichen möchte. Wenn der Politiker sich aber medienkonform verhält, seine Nachricht inhaltlich interessant und attraktiv gestaltet ist, dann besteht im heutigen Internet eine deutlich grössere Chance darauf, dass andere Menschen seine Nachricht weiterverbreiten – über soziale Netze wie Facebook, Twitter, Google+ oder was gerade aktuell ist. Der Sender hat zwar nicht mehr die Kontrolle über die Verbreitung, er hat aber eine grössere Kontrolle über die Botschaft: Er muss sich nicht eines Mittlers – eben der Journalisten – bedienen.
Der grössere Schritt im medienkonformen Verhalten ist aber der viel schwierige und im Prinzip auch grundsätzlichere: das Netz nicht als Medium zu verstehen, mittels dessen man seine Nachrichten verbreitet, sondern als ein Medium des Dialogs. Nicht nur zu schreiben, sondern auch zu lesen: den Menschen zuzuhören und sie – zum Teil auch in kleinen Runden oder gar virtuellen Einzelgesprächen – zu überzeugen.
Nun mag man einwerfen, dass man eine Abhängigkeit (die von den Journalisten) gegen eine neue (die von sozialen Netzwerken) austauscht. Diverse Berater meinen, dass man unbedingt auf einem spezifischen System sein muss, um zu kommunizieren. Wenn man seine Strategie auf nur ein Produkt (Twitter, Facebook, Xing, MySpace) ausrichtet, dann ja: dann macht man sich davon abhängig. Wenn man aber diese spezifischen Kanäle als nur die jeweils aktuellen Systeme begreift, die aber innerhalb weniger Monate sehr deutlich an Relevanz verlieren können, weil ein neues System neue, schöne Dinge mit sich bringt, dann relativiert sich diese Sichtweise schon. Und wenn man dann mehrere Kanäle gleichzeitig besetzt, gibt es keine einzelne Abhängigkeit mehr. Und nicht zuletzt ist es im Internet ein einfaches, auch selbst zum Anbieter zu werden: Blog-Software ist so einfach geworden, dass man mit nur wenigen Klicks das technische System selbst bereitstellen kann, um im Internet zu publizieren. Aber das ist erst der Startpunkt für das neue Abenteuer. Mit dem Zentrum der eigenen Internet-Aktivitäten begibt man sich also in keine Abhängigkeit – was man auf seiner Website, auf seinem Blog tut und lässt, liegt vor allem in der eigenen Hand.
Ich glaube, die Verleger beginnen zu verstehen, dass sich die Welt in diese Richtung ändert. Mit deshalb ja ihre Versuche, ihre Relevanz auch in die Online-Welt zu übertragen: Und sei es, in dem die Relevanz anderer Anbieter per Gericht oder eingeschränkt wird. Nun ist es an der Zeit, dass die Politik auch zu verstehen beginnt. Denn der Tag wird kommen, an dem man sich endlich von den Rupert Murdochs dieser Welt emanzipieren kann.
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