Vroniplag vs Chatzimarkakis

Schon seit Tagen läßt mich die Fern­seh­dis­kus­si­on bei Anne Will, an der Anke Dom­scheit-Berg und Geor­gi­os Chat­zi­markakis teil­ge­nom­men haben, nicht los. Ins­be­son­de­re der Schlag­ab­toausch, als es um die Anony­mi­tät der Vro­ni­plag-Teil­neh­mer ging, die dem FDP-Man­da­tar offen­sicht­lich so sehr ein Dorn im Auge ist. 

Ich ver­mu­te – und wahr­schein­lich ist das Frau Dom­scheit-Berg auch sehr wohl klar – dass wir hier genau den Kern des Miss­ver­ständ­nis­ses zwi­schen den aktu­el­len poli­ti­schen Man­da­ta­ren und den im Netz sozia­li­sier­ten. Und auch die Jour­na­lis­ten hat­ten an die­sem Punkt augen­schein­lich noch nicht ver­stan­den, war­um die Iden­ti­tät der ein­zel­nen Recher­cheu­re irrele­vant ist – so, wie letzt­lich für den Linux-Ker­nel oder ein belie­bi­ges ande­res offe­nes und klar abge­grenz­tes Online-Pro­jekt auch irrele­vant ist, wel­che kon­kre­ten Per­so­nen sich zu jedem belie­bi­gen Zeit­punkt dar­an betei­li­gen. Denn: es geht dabei nicht dar­um, eine sub­jek­ti­ve Mei­nung zu ver­kün­den oder mit sei­nem Namen für gewis­se Aus­sa­gen ein­zu­ste­hen, wie es das Selbst­ver­ständ­nis des kom­men­tie­ren­den Jour­na­lis­mus ist. Und letzt­lich: bei dpa-Mel­dun­gen inter­es­siert auch der kon­kre­te Ver­fas­ser ähn­lich stark, wie es für Par­la­ments­pro­to­kol­le rele­vant ist, wel­cher Ste­no­ty­pist gera­de Dienst hat­te. Wenn also Spreng sagt, dass Jour­na­lis­ten davon Leben, mit ihrem Namen für etwas ein­zu­ste­hen, befleis­sigt er sich auch eines ein­ge­schränk­ten Bli­ckes auf die eige­ne Zunft. Von Volon­tä­ren und Prak­ti­kan­ten, die z.B. Achiv­re­cher­chen durch­zu­füh­ren haben und dafür nicht nament­lich genannt wer­den, jetzt ganz geschwie­gen. Es geht in die­sen kon­kre­ten Fäl­len dar­um, eine klar umris­se­ne, voll­stän­dig nach­voll­zieh­ba­re und in gewis­sem Sin­ne fast mecha­ni­sche Arbeits­leis­tung zu erbrin­gen. Bei der Pla­gi­ats­re­cher­che kann man, sicher über­zeich­nend, schon fast von einer intel­lek­tu­el­len Fliess­band­ar­beit spre­chen. Selbst wenn man um die kon­kre­ten han­deln­den Per­so­nen wüss­te, so änder­te dies nichts an der Bewer­tung der gemein­sam erbrach­ten Arbeitsleistung. 

Die­se Kul­tur der „Schwarm-Intel­li­genz“, die das Netz als eigen­stän­di­ge, neue Form der Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on ein­bringt, ist mög­li­cher­wei­se in den Köp­fen der Poli­ti­ker noch nicht ange­kom­men. Die­se Orga­ni­sa­ti­on steht auch dem poli­ti­schen Betrieb inso­fern dia­me­tral ent­ge­gen, als gera­de dort ja eine Per­so­na­li­sie­rung und Zuspit­zung nur auf ein­zel­ne, iden­ti­fi­zier­ba­re Men­schen raum­grei­fend ist. Die Ant­wort aus dem Netz – die Kol­la­bo­ra­ti­ons-Wikis, die Lul­caz und anony­mous, aber auch die S21-Pro­test­be­we­gung – ist eben der mög­li­cher­wei­se aus die­sem Betrieb schwer zu begrei­fen­de Gegentrend. 

Wir wer­den ver­mut­lich noch eini­ge Zeit brau­chen, bis das Wis­sen um lose, the­men­spe­zi­fi­sche Zusam­men­ar­beit im Netz in den Köp­fen der Poli­ti­ker ange­kom­men ist. Selbst in der ent­spre­chen­den Enquet­te-Kom­mis­si­on, wo die Poli­tik ja mit sol­chen Ansät­zen kon­fron­tiert wur­de und eigent­lich auch rela­tiv gefahr­los hät­te expe­ri­men­tie­ren kön­nen, wur­den die­se Ansät­ze zunächst abgeblockt. 

Übri­gens ent­behrt es nicht einer dunk­len Iro­nie, dass gera­de ein Autor, in des­sen Dis­ser­ta­ti­on diver­se Pla­gia­te nach­ge­wie­sen sind, von den Recher­cheu­ren eine nament­li­che Kenn­zeich­nung ihrer Arbeits­leis­tung ein­zu­for­dern ver­sucht, oder?


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Kommentare

3 Antworten zu „Vroniplag vs Chatzimarkakis“

  1. Avatar von doncish

    Oh ja, das hal­te ich auch für einen wesent­li­chen – und einen der inter­es­san­te­ren Aspek­te – die­ser Debat­te. Vol­le Zustim­mung. Anmer­ken möchte ich aber, obwohl es so auch hier nicht gesagt wur­de, dass kol­la­bo­ra­ti­ve Arbeits­for­men nicht in jedem Fall zu objek­ti­ve­ren Ergeb­nis­sen füh­ren, als bis­he­ri­ge Model­le der Arbeits­tei­lung. Hier­ar­chi­sche Model­le mit sicht­ba­ren Köpfen, die das Gan­ze steu­ern und die Ergeb­nis­se nach außen präsentieren, füh­ren ja auch nicht zwin­gend zu sub­jek­ti­ven Ergeb­nis­sen. Bei aller persönlicher Begeis­te­rung für kol­la­bo­ra­ti­ve Team­ar­beit im Netz, um objek­ti­vier­ba­re und nach­voll­zieh­ba­re Ergeb­nis­se muss man sich in jeder Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­ons­form bemühen – sie ent­ste­hen nicht auto­ma­tisch dadurch, dass die Zuspit­zung auf einen Tal­king Head entfällt und die Han­deln­den anonym bleiben.

  2. […] (neben Anke Dom­scheit-Berg, Micha­el Spreng und Bert­ram Quadt) auch selbst Dis­kus­si­ons­teil­neh­mer. Im Blog von Kon­rad Neu­wirth fin­det man dazu einen inter­es­san­ten Bei­trag, der mit den Wor­ten endet: […]

  3. Avatar von Winfried Sobottka

    Due Poli­ti­ker vo heu­te sind niicht des­halb Poli­ti­ker, weil sie so schlau und umsich­tig sind, son­dern, weil sie von mächtigen Krei­sen zu Poli­ti­kern gemacht wor­den sind. Die­se mächtigen Krei­se ver­fü­gen über Wasserträger aller Art, und wer ihnen in die Que­re kommt, wird nicht nur mit sau­be­ren Mit­teln von ihnen bekämpft.

    Die­se Din­ge dürf­ten „Chat­zi“ und Co. bekannt sein, und sicher­lich wis­sen „Chat­zi“ & Co., dass es abso­lut egal ist, wer Nach­wei­se für Pla­gia­te zusammenträgt.

    Ich bin davon über­zeugt, dass es Leu­te wie „Chat­zi“ & Co. aber enorm wü­tend macht, dass sie denen, die ihre Lü­gen­exis­ten­zen auf­de­cken, nicht unter Aus­nut­zung ihrer Bezie­hun­gen wenigs­tens die Berufs­kar­rie­ren ver­sau­en, wenn nicht noch schlim­me­res antun können.

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