Wenn ich in diesem Text über Männer schreibe, so bezieht sich dieser Begriff auf sich als heterosexuell begreifende, in ihrer Biographie vollständig als Mann sozialisierte Individuen, die bislang nur wenig Anlass hatten, sich und ihre Rollenbilder zu reflektieren.
Viele, viele Männer wissen über ihre Bedürfnisse überhaupt nicht Bescheid. Das ist ein sehr grundsätzliches Problem, das sich in vielen gesellschaftlichen Herausforderungen widerspiegelt.
Das sieht man daran, dass sie “nur rational handeln”. Ihr Herangehen an zwischenmenschliche Beziehungen – das ja primär von ihren Bedürfnissen geprägt wird – ist ihnen undurchschaubar, sie können sich da Ideen und Vorstellungen hingeben, die mit der Realität nichts zu tun haben. Gemeinhin wird das als der Unterschied zwischen Selbst- und Fremdbild wahrgenommen – aber dieses Framing blendet aus, wie sehr es dabei um Bedürfnisse geht.
Leider scheint es auch so zu sein, dass die spezifischen Bedürfnisse – oder überhaupt Bedürfnisse – zu haben so dem Selbstbild (oder in diesem Fall vielleicht besser: Weltbild) des Mannes widerspricht, dass er nicht zuhören kann, wenn sie oder sein Verhalten zur Sprache kommen. Oft genug ist da Scham im Spiel, aber auch die ist ja eher ein Ausdruck des Unwissens über sich selbst.
Mit weil die Bedürfnisse so unbekannt und für den Mann selbst unsichtbar sind, können sie so einen unfassbaren Druck entwickeln, dass sie oftmals das komplette Verhalten steuern. Und so kommt es, dass sich das ganze Phänomen selbst be- und verstärkt. Solange die Bedürfnisse unbekannt und unsichtbar bleiben, kann der Mann nichts unternehmen, sie zu befriedigen oder gar selbst für sich zu sorgen. Damit werden sie aber immer stärker – weil es ja keinen fürsorglichen, befriedigenden Umgang mit ihnen gibt.
In heterosexuell empfindenden Männern ist dies der Moment, wo Frauen die Bildfläche betreten. Auf sie wird die Aufgabe, die Bedürfnisse zu erkennen und mit ihnen fürsorglich umzugehen übertragen. Es bleibt dabei, dass die Themen nicht besprochen oder benannt werden dürfen – die Frau hat einfach entsprechend zu agieren. Die Abwehr des Themas Bedürfnisse führt aber umgekehrt dazu, dass der Partnerin (oder Bedürfniserfüllungsgehilfin) ebenfalls keine keine Bedürfnisse zugestanden werden – sie werden als kompliziert oder anspruchsvoll wahrgenommen.
In einer Welt, die sehr auf soziale Interaktion ausgerichtet ist (seien es die “sozialen Medien” oder der größte Teil der modernen Arbeitswelt), ergeben sich natürlich durch diese blinden Flecken sehr schwierige Strukturen. Ich bin aber davon überzeugt, dass es Abhilfe geben kann: eben genau das Wissen um die eigenen Bedürfnisse und die Bedürftigkeit des Individuums. An diesen Stellen sollten wir als Gesellschaft arbeiten.
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